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Der Krise trotzen: Nick Heinke eröffnet seine Brotbackstube

Bäcker Nick in seiner Backstube hält ein rundes, frisch gebackenes Brot.
© Martin Albermann

Am 26. Juni eröffnet Nick Heinke in Schröck seine Backstube mit Verkaufsautomat, in Weidenhausen einen Brotladen. Nick ist Bäckermeister aus Überzeugung, ein echter Handwerker. Uns hat er im Interview verraten, was Brotbacken mit Bierbrauen zu tun hat, wie ihm 150 Jahre alte Bücher bei seiner Arbeit helfen, warum die Arbeit des Ernährungsrats wichtig ist und warum er, trotz schwerer Zeiten für das Lebensmittelhandwerk, optimistisch in die Zukunft blickt.

Nick, was macht für dich ein gutes Brot aus? 

Ein gutes Brot kann man einfach so essen, ohne etwas drauf. Und nach zwei Scheiben überlegt man, was noch gut als Belag zum Brot passen könnte. Ein gutes Brot ist ausgewogen in Säure, Süße und Salz und schmeckt auch noch nach Tagen. Es ist vollmundig und sollte einen Charakter haben, der erkennbar ist. Dafür ist es natürlich wichtig, dass gute und naturnahe Rohstoffe reinkommen, also Mehl, Wasser, Salz und Sauerteig. Technische Hilfs- und Zusatzstoffe haben im Brot nichts verloren.

Das klingt richtig lecker! In Deutschland gibt es über 3.000 eingetragene Brotsorten. Auf welche können sich deine Kund*innen freuen? 

Ich plane ein abwechslungsreiches Sortiment. Aktuell plane ich maximal zehn Sorten. Vom saftigen Dinkelvollkornbrot bis hin zum knusprigen Baguette ist alles dabei. Ich backe Klassiker wie das Roggenmischbrot als großen Laib, aber auch neue Kreationen wie beispielsweise Sauerteig-Rosinenbrot. Es wird, denke ich, für jede und jeden etwas dabei sein.

Deine Backstube ist in Schröck, dein Laden aber in Weidenhausen?

Richtig, ich habe länger in der Region nach einer Backstube gesucht. Die Backstube in Schröck wurde bis vor ein paar Jahren noch genutzt, war aber komplett leergeräumt. Wir haben sie nun umgebaut und neu eingerichtet. In der Backstube in Schröck backen wir alle Brote. Im ehemaligen Laden in der Schröcker Straße 35, direkt an der Backstube, steht nun ein Verkaufsautomat für das Brot. Dort kann man an den Backtagen ab mittags bis spät abends frisch gebackenes Brot kaufen. Der Brotladen in der Weidenhäuser Straße 15 hat montags, mittwochs, freitags von 15 bis 19 Uhr geöffnet. Dort werden wir neben dem frischen Brot auch noch passende Köstlichkeiten wie Käse, Wurst, Brotaufstriche und Marmeladen von regionalen Partner*innen anbieten. 

Wieso hast du dich entschlossen, selbst zu gründen? 

Ich will mich selbstständig machen, weil ich so backen will, wie ich es für richtig halte. Also mit einem hohen Qualitätsanspruch und mit wenigen guten regionalen Zutaten. Ich brauche einen Ort, an dem ich mich frei entfalten kann und ich etwas Neues machen kann, was es noch nicht gibt. Außerdem habe ich so die Chance, Dinge, die im Bäckerhandwerk sonst nicht so gut sind wie die Arbeitszeiten anders zu machen. Ich backe nun tagsüber. Dieser Gestaltungsspielraum macht es mir hoffentlich möglich, den tollen Beruf möglichst lange und gerne auszuüben. 

Und wie steht es um die gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten?

Ich glaube, dass die Energie viel zu lange zu billig war. Nun sehen wir, dass Energie nicht immer selbstverständlich und unbegrenzt verfügbar ist. Beim Einrichten der Backstube habe ich bewusst auf energieintensive Technik verzichtet und nutze für den verbleibenden Strombedarf Ökostrom. Auch mein Elektrolieferwagen betanke ich mit Ökostrom. Das ist zwar etwas teurer, aber es gehört für mich einfach dazu.

Die gestiegenen Rohstoffpreise sind hauptsächlich im konventionellen Bereich gestiegen, was auch mit den gestiegenen Preisen für Düngemittel zusammenhängt, die im Bio-Bereich nicht eingesetzt werden. Im Bio-Bereich sind die Preise stabiler geblieben. Regionale Bio-Lebensmittel sind einfach zukunftsfähig und da zahle ich auch den Preis, den es braucht, damit Müller und Landwirt davon leben können. Und ich glaube und hoffe natürlich, dass es hier Menschen gibt, die diese Arbeit wertschätzen und bereit sind, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen. Damit dieses Handwerk weiter bestehen kann. Und damit ich das, was ich gerne mache, auch weiterhin machen und davon leben kann.

In Marburg gibt es viele Bäckereien. Wieso sollen die Menschen bei dir Brot kaufen? 

Ich hoffe natürlich, dass die Qualität überzeugt. Fast alle unsere Brote sind reine Sauerteigbrote – das ist für den Geschmack, die Verträglichkeit und die Frischhaltung sehr von Vorteil. Die Rezepte sind eigene Kreationen und ich verzichte gänzlich auf technische Hilfs- und Zusatzstoffe bei meinen Broten. In großen Bäckereien wird viel mit Maschinen gearbeitet. Da werden die Teige den Maschinen angepasst und Zusatzstoffe verabreicht, die leider auch nicht alle deklariert werden müssen. Weil ich viel mit der Hand arbeite, kann ich individuell auf den Teig eingehen und als Bäckermeister meine Erfahrungen einbringen. So kann ich ganz individuell auf die regionalen Biorohstoffe eingehen und durch handwerkliches Geschick einzigartige Brote backen. 

Welche Rohstoffe nutzt du in deiner Backstube? 

Ich verarbeite Biomehle, die wir von der Mühle Werner in Bad Arolsen bekommen. Der Müller wiederum bezieht das Getreide nur aus Mitteldeutschland und auch hier aus der Marburger Region von einigen Landwirten. Meine Saaten wie Kürbiskerne und Sonnenblumenkerne kommen aus Süddeutschland von der OBEG Erzeugergemeinschaft. Mir ist es wichtig zu wissen, woher meine Rohstoffe kommen. Nur mit guten Rohstoffen kann ich gute Brote backen. Außerdem stelle ich meine eigene Hefe aus Früchten her. Diese sogenannten Fruchthefen sorgen auch für einen besonderen Geschmack. 

Was sind die Vorteile dieser Fruchthefen? 

Ich habe 150 Jahre alte Bücher gelesen, wie früher Hefe hergestellt wurde und habe den Prozess auf die heutigen Gegebenheiten nachgebildet. Ich bringe Dinkelkörner zum Keimen, unterbreche diesen Prozess und koche einen Sud daraus, ähnlich wie beim Bierbrauen. 

Dazu kommen die Hefen, die sich ganz natürlich auf Früchten wie Äpfeln, Weintrauben, Rosinen oder Holunderblüten befinden. Sie können sich unter guten Bedingungen vermehren. Diese Bedingungen schaffen wir mit der Nährlösung der Keimlinge. Am Ende sind es dann so viele, dass sie das Gebäck beim Backen lockern und über die lange Teigführung auch zum guten Geschmack beitragen.  

Das klingt richtig spannend, aber auch sehr arbeits- und zeitintensiv. 

Ja, es dauert etwa eine Woche. Aber die Bäckerhefe, die man einkaufen kann, ist allein auf Trieb gezüchtet. Sie muss unter allen Umständen einfach gut aufgehen, auch wenn man die Gebäcke vorher gefrostet und gekühlt hat. Auch wenn man Hefen aus dem Bio-Bereich einkauft, kann man nicht ausschließen, dass technische Enzyme bei der Herstellung eingesetzt werden. Ich bin gespannt, ob es mir im Regelbetrieb gelingt, das so konstant aufrecht zu erhalten. Aber dann wären wir komplett autark. Derzeit kenne ich keine andere Bäckerei, die das so umsetzt. 

In deinem früheren Leben hast du „Erneuerbare Energien” studiert. Wie bist du zum Bäckerhandwerk gekommen?

Ich habe mich für das Studium entschlossen, weil ich wissen wollte, wie wir die Energiewende schaffen können und weil ich einen Beitrag dazu leisten wollte. Dann habe ich schnell verstanden, dass technisch zwar vieles möglich ist, aber dass es auf politischer Ebene viel zu langsam vorangeht. Das Backen war ein Hobby im Studium. Die mikrobiellen Prozesse im Teig sind auch komplex, aber es geht zumindest deutlich schneller und der eigene Einfluss ist viel größer als bei der Energiewende. Angefangen habe ich mit einem Roggensauerteig meiner Mutter und meine große WG war ein dankbarer Abnehmer für all die Backversuche. 

Wie war es, als du für die Ausbildung nochmal mit 14-jährigen die Schulbank drücken und zum Sportunterricht musstest? Du warst damals ja schon 27 Jahre alt. 

Ich habe zum Glück in Düsseldorf die Mühlen- und Vollkornbäckerei “Hercules” gefunden, die mir die Ausbildung als Quereinsteiger verkürzt angeboten hat. Dadurch konnte ich die Berufsschule aussetzen und mir im Selbststudium die Inhalte beibringen. Dafür bin ich sehr dankbar. Über diese Bäckerei habe ich auch den Verein „Die freien Bäcker e.V.” kennengelernt. 

Was hat es mit dem Verein auf sich? 

Der Verein ist eine unabhängige Berufsorganisation handwerklich arbeitender Bäcker*innen. Er setzt sich für eine zukunftsfähige Lebensmittelherstellung ein und verbindet so Elemente von Ernährungssouveränität und Bäckerhandwerk. Wir haben damals eine Untergruppe  gegründet, das junge Netzwerk. Dort haben sich Auszubildende, Gesell*innen und Quereinsteigende im Bäckerhandwerk zusammengetan. Das war total bereichernd: Menschen kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen, die voller Überzeugungen und Freude beim Backen sind. 

Das kann ich mir vorstellen. So entstehen oft nachhaltige Kontakte. 

Genau. Durch dieses Netzwerk habe ich viele Bäcker kennengelernt, bei denen ich später auch gearbeitet habe. Ich war die letzten Jahre in vielen verschiedenen Bäckereien am Backen, um deren Produkte, Arbeitsweisen, Maschinen und Herstellungsweisen kennenzulernen. Und zwischendurch habe ich noch meinen Meister in Potsdam gemacht, damit ich meine eigene Bäckerei aufmachen kann. Solche Netzwerke, wie auch der Ernährungsrat, sind einfach essentiell.

Damit kommen wir zu einer richtig guten Abschlussfrage: Warum bist du Mitglied beim Ernährungsrat? 

Ich kann mit meiner Bäckerei nur einen kleinen Teil dazu beitragen, dass unser Ernährungssystem zukunftssicher aufgestellt ist. Ich möchte mich auch darüber hinaus engagieren, um alternative Strukturen im Ernährungsbereich aufzubauen. Der EMU, Slow Food und Die freien Bäcker, das sind für mich Partner, Berater und Unterstützer. Gemeinsam kann man einfach mehr bewegen.

Vielen Dank für dieses persönliche und interessante Gespräch, Nick!

Zur Website von Nick Heinke geht es hier entlang. Einen Instagram-Kanal hat er auch.