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Landnutzung lokal gestalten

Landnutzung lokal gestalten – Gemeinwohlorientierter Zugang zu Land

Der Boden ist als Grundlage der Landwirtschaft unendlich wichtig, denn weit über 90 Prozent aller Nahrungsmittel entstehen im, auf oder durch den Boden unter unseren Füßen.

Obwohl wir über 90 Prozent unserer Nahrungsmittel dem Boden verdanken, gehen jedes Jahr weltweit Millionen Hektar fruchtbaren Bodens aufgrund der Übernutzung durch industrielle Landwirtschaft und Versiegelung verloren. Die Bodenfruchtbarkeit nimmt stetig ab und rund 33% der weltweiten Anbauflächen werden für die Produktion von Futtermitteln für die Massentierhaltung genutzt, hinzu kommt die Nutzung für „Bio“energien. Der Umgang mit den zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen hat entscheidenden Einfluss auf den Klimaschutz, Nachhaltigkeitsstrategien, soziale Gerechtigkeit, Gesundheit und Lebensqualität.

Agrarflächen müssen für die nachhaltige Erzeugung von Grundnahrungsmitteln genutzt werden. Eine zentrale Forderung an die Politik ist es, sich für eine humus-fördernde Landwirtschaft einzusetzen und dafür auf Agrarökologie, Mischkulturen und Fruchtfolgen zu setzen. Dazu müssen zum Beispiel im Rahmen der EU-Agrarpolitik Anreize für Landwirte geschaffen werden, ökologische und soziale Ziele zu verfolgen. Nur ein bodenerhaltendes Lebensmittelsystem sichert unsere Zukunft. Ein weiter so wie bisher ist keine Option.

Böden sorgen nicht nur für unsere Ernährung, sie spielen auch eine entscheidende Rolle für das globale Klima. Die Art der Flächennutzung beeinflusst die biologische Vielfalt, Umweltbelastung und unsere Gesundheit. Viele Tier- und Pflanzenarten profitieren etwa von einer extensiven Bewirtschaftung von Äckern und Weiden. Intensiv bewirtschaftete landwirtschaftliche Flächen wiederum können die Natur belasten: Sie können Gewässer im Überfluss mit Nährstoffen anreichern sowie Böden und Grundwasser weiteren Belastungen aussetzen. Es kann zu einer Ausräumung ökologisch wertvoller Landschaftsteile kommen, da Knicks, Wälle oder Baumgruppen beseitigt, Gewässer begradigt, Böden verdichtet oder neue landwirtschaftliche Wegenetze angelegt werden.

Daher muss die Fruchtbarkeit dieser kostbaren Ressource geschützt werden und der Zugang zu Land für Landwirte, und nicht für Spekulanten, gewährleistet sein.

Die gemeinwohlorientierte Nutzung von Flächen ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft und damit eines umgestalteten Ernährungssystems. Der Zugang zu Land ist darüber hinaus eine Gerechtigkeitsfrage.

Veränderungen lassen sich für diese Fragestellungen sicher nicht allein durch lokales Handeln erreichen – aber es gibt lokal Spielräume, die genutzt werden müssen.

Als Eigentümer:innen von Grund und Boden können Städte und Gemeinden, Kirchen, aber auch Privateigentümer:innen direkt auf die nachhaltige Bewirtschaftung von Flächen Einfluss nehmen. Sie nehmen die mit dem Eigentum einhergehende Verantwortung wahr und können auch zu einer sozial-ökologische Agrarwende beitragen: Ressourcen schonen, Tiere artgerecht halten, sich an geschlossenen Kreisläufen orientieren, gesunde Lebensmittel produzieren und gleichzeitig für ein faires Einkommen für die Landwirt:innen sorgen.

Wichtige Voraussetzung für die Erreichung dieses politischen Zieles ist ein faires und transparentes Verfahren der Vergabe von Land, das an soziale und ökologische Verpachtungskriterien geknüpft ist und auch kleinen Erzeuger:innen, jungen Landwirt:innen und SoLaWis eine Chance bietet. Das gilt für die Neuvergabe wie für die Verlängerung von Pachtverträgen. Die beabsichtigte Verpachtung bzw. der geplante Verkauf von Flächen sollen in geeigneter Weise öffentlich bekannt gemacht werden. Flächen sollen nicht nach dem Höchstgebot vergeben werden, der Pachtzins soll sich an tatsächlichen Wertschöpfungsmöglichkeiten orientieren.

Die gemeinwohlorientierte Bewirtschaftung von Flächen soll durch entsprechende administrative Rahmensetzungen unterstützt werden.

Der Ernährungsrat Marburg und Umgebung schlägt die Verwendung der folgenden Kriterien bei Entscheidungen über die Vergabe von Land vor:

Ausschlusskriterien

  • Erfüllung des Mindestpachtpreises
  • Gentechnikfreie Betriebsweise
  • Keine Verwendung von Pestiziden (Herbizide, Fungizide, Insektizide) und künstlichen Düngemitteln, kein Ausbringen von Klärschlamm
  • eigenständig geführte Betriebe

Mit Punkten bewertete Entscheidungskriterien (0 Pkt. = nicht erfüllt,2 oder 3 Pkt. = erfüllt)

  • Ökologische Bewirtschaftung mit bodenaufbauender Wirkung, vielfältige Produktion
  • Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse in der Region
  • Bevorzugung von Existenzgründer:innen, Junglandwirt:innen und SoLaWis
  • Schlüssiges Klimaschutzkonzept (z.B. weitgehender Verzicht auf fossile Brennstoffe)
  • Einhaltung von Naturschutzbelangen bei der Pflege der Flächen
  • Umsetzung von biodiversitätsfördernden Maßnahmen
  • Geringe Entfernung der Fläche vom Hauptwohn(-betriebs-) sitz des Pächters
  • Betriebsgröße (Orientierung an der durchschnittlichen hessischen Betriebsgröße)
  • Einhaltung von Tierwohlkriterien, Weidetierhaltung
  • flächengebundene Tierhaltung, Futterzukauf
  • Aktivitäten im Zusammenhang mit sozialer Landwirtschaft
  • Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Mitarbeiter*innen
  • Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, personalintensive Betriebsweise

Die weitere Konkretisierung der Kriterien soll in einem transparenten Verfahren unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure erfolgen.

Fragen zur gemeinwohlorientierten Bewirtschaftung öffentlicher Flächen