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Eindrücke des Diskussionsabends

Eindrücke des Diskussionsabends „Ein Jahr nach den Bauernprotesten – Wege zu einem nachhaltigen Ernährungssystem“ im TTZ Marburg vom 13.01.25

Am Montag, dem 13.01.25., fand im TTZ Marburg ein Diskussionsabend mit Marburger Bundestagskandidaten zum Thema „Ein Jahr nach den Bauernprotesten – Wege zu einem nachhaltigen Ernährungssystem“ statt.

Eingeladen hatte ein Bündnis, zu dem unter anderem die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Ernährungsrat Marburg und Umgebung, Solawi Marburg, Slow Food Mittelhessen, Weltladen Marburg, Attac, Gartenwerkstadt und weitere gehören. Eingeladen waren Staatssekretär Sören Bartol (SPD), Andreas May (Grüne), Alexander Keller (FDP), Philipp Henning (Die Linke), Ulrich Zick (CDU) und Stefan Lölkes (Freie Wähler), die sich in einem gut gefüllten Saal den Fragen der Agrarwissenschaftlerin Dr. Susanne von Münchhausen (Sprecherin des Ernährungsrates Frankfurt und des Bündnisses Ernährungs- und Agrarwende (BEA) Hessen) und dem Publikum stellten.

In einer kurzen Vorstellungsrunde bekamen die Politiker die Gelegenheit, ihre parteiinternen Forderungen bezüglich Verbesserungen der landwirtschaftlichen Bedingungen vorzustellen. Um es vorwegzunehmen: Konkrete Antworten waren Mangelware. Philipp Henning (Die Linke) betont, dass sich seine Partei vorwiegend auf bessere Bedingungen für kleine und mittelständische Betriebe in Marburg und Umgebung konzentrieren möchte, während Ulrich Zick von der CDU einen Bürokratieabbau fordert und der Landwirtschaft durch schnellere Zulassungsverfahren neuen Aufwind verschaffen will. Sören Bartol von der SPD stellte klar, dass die Landwirt:innen den Freiraum bekommen sollen, den sie brauchen, da sie am besten wissen, was gut für Land und Tier ist. Andreas May von den Grünen forderte einen Fokus auf regionalen Ökolandbau. Alexander Keller (FDP) und Stefan Lölkes (Freie Wähler) hingegen nutzten die Zeit, um sich vorzustellen, gaben jedoch keine klare Antwort auf Schwerpunkte ihrer Partei zu diesem Thema. Herr Keller gab bekannt, dass er vegan lebe. Im Verlauf des Abends wurde jedoch deutlich, dass die FDP weiterhin davon überzeugt ist, dass der freie Markt die beste Lösung für nachhaltige Landwirtschaft und Umweltschutz bietet. Keller betont, dass durch Innovation und Wettbewerb die effizientesten und umweltfreundlichsten Lösungen gefunden werden können. Stefan Lölkes von den Freien Wählern stellte die Verantwortung der Verbraucher:innen in den Fokus, die durch ihr Kaufverhalten einen maßgeblichen Anteil an der Förderung regionaler Produkte leisten.

Unter anderem standen Fragen bezüglich des Klimaschutzes und der Stärkung der bäuerlichen Landwirtschaft im Fokus. Wie soll eine klimagerechte Landwirtschaft aussehen? Welche Maßnahmen sind dafür notwendig und wie plant die Landwirtschaft, mit den Herausforderungen des Klimawandels umzugehen? Konkrete Antworten der Politiker blieben dabei aus. Dabei steht die Landwirtschaft vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits trägt sie zum Klimawandel bei, andererseits ist sie davon betroffen. Hinzu kommen wirtschaftliche Belastungen – steigender Preisdruck und sinkende Nachfrage im Einzelhandel drängen immer mehr Betriebe ins Abseits. Darüber hinaus drängen außerlandwirtschaftliche Investoren zunehmend in den Bodenmarkt, zum Nachteil aktiver Landwirt:innen, die aufgerufene Kauf- und Pachtpreise kaum mehr zahlen können. Es stellt sich die Frage, wie politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen gestaltet werden müssen, um nachhaltige Innovationen zu fördern und bäuerliche Betriebe langfristig zu stärken, und wie deutschlandweit mit dem Mercosur-Freihandelsabkommen umgegangen werden soll.

Der Verlauf des Abends war spannend, brachte jedoch keine konkreten Strategien hervor. Es wurde viel darüber geredet, was geändert werden muss, aber wenig darüber, wie die oben erwähnten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden können, um die aktuelle, teils prekäre Lage der Landwirt:innen in Marburg-Biedenkopf zu verbessern. Am Ende hatte das Publikum noch die Möglichkeit, den Politikern Fragen zu stellen. Besonders diskutiert wurde die Frage, ob es realistisch sei, von den Verbraucher:innen zu erwarten, mehr regionale, lokale und nachhaltige Produkte zu kaufen, wenn das Einkommen vieler Haushalte ohnehin knapp ist. Diese Frage richtete sich vorwiegend an Herrn Lölkes, der zuvor die Verantwortung der Verbraucher:innen betont hatte. Er konnte diese Frage jedoch nicht konkret beantworten und reagierte ausweichend.

Die Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Marburg, Karin Lölkes, warf in die Diskussion, dass der hohe Flächenverbrauch durch Infrastrukturprojekte wie die B252 neu erhebliche Belastungen für die Landwirtschaft (200 ha Eingriffsfläche und 112 ha Kompensationsfläche) mit sich bringt, die nicht mehr tolerabel sind (vgl. Anlage). Im Zusammenhang mit den Protesten des letzten Jahres wurden aus dem Publikum Forderungen nach einer vollständigen Steuerbefreiung für Agrardiesel laut. Obwohl die Steuer im vergangenen Jahr bereits von 47 Cent auf 21 Cent gesenkt wurde, wird weiterhin eine vollständige Steuerbefreiung gefordert, um die finanzielle Belastung, die im Laufe der Diskussionsrunde durchgängig Thema war, zu reduzieren.

Kurzum war es ein Abend, an dem das Publikum die Gelegenheit hatte, die Meinungen der Parteien besser kennenzulernen. Allerdings wurden keine konkreten Handlungsansätze durch die Politik vorgestellt, die in naher Zukunft umsetzbar sind. Dennoch kann der Abend als Erfolg gewertet werden, da er nicht nur Raum für Diskussion bot, sondern auch als Ort der Vernetzung zwischen verschiedenen Organisationen wie Greenpeace, Attac und vielen anderen sowie den Bürger:innen diente.

Quelle: Landschaftspflegerischer Begleitplan, B252n, 2011, S. 219

von L. Laska